Über Leben reden

Über Leben reden

Gespräche mit Nachkommen von NS-Verfolgten

Am 8. Mai trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft. Das Ende des Krieges. Ein Datum. Damit ist der Krieg vorbei, aber die Auswirkungen der NS-Verfolgung noch lange nicht. In diesem Podcast-Projekt erzählen Menschen ihre Geschichten vom Leben nach der NS-Verfolgung. Vom Verhältnis zu ihren Eltern, von Diskriminierung und Traumata. Es geht nicht darum zu bewerten, was richtig ist und was falsch. Es geht darum zuzuhören. Und zu erfahren, wie vielfältig die Nachwirkungen dieser Zeit auch heute noch sind.

In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte e.V.

"Für ihn war ich die Püppi - mit 53"

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Genia Ruland kommt 1947 als Heimatlose auf die Welt. Ihre Eltern lernen sich gegen Kriegsenede in Brüssel kennen. Ihr Vater war gebürtiger Pole, wurde beim schottischen Militär als Bomberpilot ausgebildet und ist ab 1938 Angriffe für die Briten geflogen. Bei einem Einsatz über Lübeck wird er abgeschossen. Nach Ende des Krieges ist er mit den britischen Alliierten in Köln stationiert. Immer wieder besucht er von dort aus Brüssel.

Genias Mutter kommt gebürtig aus Köln, wo der jüdische Großvater eine große Seidendruckerei besitzt. Bereits vor 1933 wird er angefeindet. Nicht nur, weil er Jude ist, sondern auch, weil er eine Frau römisch-katholischen Glaubens geheiratet hat. Die Familie flieht deshalb bereits 1933 ins belgische Brüssel. Da ist Genias Mutter gerade 9 Jahre alt. Als die Deutschen 1940 die Niederlande und Belgien überfallen, wird der jüdische Großvater verschleppt - und Genias Mutter gerät in Gefangenschaft, weil sie Deutsche ist.

Erst im Alter von 53 Jahren lernt Genia ihren leiblichen Vater kennen - in Australien.

"Die Frauen gehen so ein bisschen unter"

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Sabine Giersiepen ist Jahrgang 1960. Auf beiden Seiten ihrer Familie gibt es eine Verfolgungsgeschichte. Die Familie ihres Vaters ist stark kommunistisch geprägt. Bereits 1934 wird ihr Großvater väterlicherseits im Gestapo-Gefängnis in Düsseldorf zu Tode geprügelt. Die Verfolgung der Familie als Kommunisten ist ihr damit sehr bewusst. Von der Geschichte ihrer Mutter weiß Sabine Giersiepen sehr viel weniger. Was sie weiß: Ihre Großmutter mütterlicherseits war Jüdin und in Auschwitz. Ihre Mutter, geboren 1936, wurde versteckt. Beide haben überlebt, aber später nie von dieser Zeit gesprochen. Sabine Giersiepen bleibt mit Fragen zurück. Hatten die jüdischen Wurzeln eine Bedeutung für ihre Mutter? Immerhin findet sie Indizien dafür, dass die Mutter sich damit beschäftigt hat. Und was bedeuten diese jüdischen Wurzeln für sie selbst heute?

"Meine Eltern wurden als Verräter abgestempelt"

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Die 50er Jahre waren für viele Menschen eine Zeit des Aufbruchs. Urlaub, Wohlstand, Vergnügen und Autos - kurz Wirtschaftswunder. So beschreibt es Irene Fick. Sie hat die Zeit allerdings ganz anders erlebt. "Die 50er waren eigentlich die Zerstörung der Kultur der Arbeiterklasse. Ganz gewollt."
Obwohl ihre Eltern im Widerstand gegen die Nationalsozialisten gekämpft hatten, mussten sie nach Kriegsende um Anerkennung kämpfen. Oder gerade deswegen. Vor allem die Mutter muss hart um ihren Status als NS-Verfolgte kämpfen. Als Tochter von Widerstandskämpfern erlebt Irene Fick im Nachkriegsdeutschland auch später noch Diskriminierung. So wird der Tochter eines Anstreichers zum Beispiel die Studienbehilfe verwehrt. Warum sollte sie als Arbeiterkind studieren wollen? Heute lebt Irene Fick in Großbritannien. Sie wünscht sich eine bessere Aufarbeitung des Arbeiterwiderstands.

Rechtlos als Jurist

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"Ich hab erfahren, was es heißt, total rechtlos zu sein."

Der Vater von Jörg Watzinger wurde 1913 geboren - und hat 1933 Jura studiert. In Berlin. Der Vater war dem Nationalsozialismus gegenüber sehr kritisch eingestellt, hielt 1938 darüber Vorträge in der Schweiz. Jörg Watzingers Vater hat Glück im Unglück: Ein Gericht verurteilt ihn zu zwei Jahren Haft. Danach muss er für drei Jahre ins KZ in Dachau. 1944 lässt er sich an die Ostfront schicken. Dort läuft er über, gerät in russische Kriegsgefangenschaft und muss in ein Arbeitslager. 1945 wird er krank nach Hause geschickt.

Jörg Watzinger (Jahrgang 1955) erzählt in diesem Podcast, wie er seinen Vater nach dem Krieg erlebt hat - und wie auch er bis heute mit den Traumata seines Vaters kämpft.

Musik: "Blue" - Gene Tyranny - veröffentlicht unter CC 3.0 by-nc-sa

Ein Podcast-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte e.V.

Über diesen Podcast

Am 8. Mai trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft. Das Ende des Krieges. Ein Datum. Damit ist der Krieg vorbei, aber die Auswirkungen der NS-Verfolgung noch lange nicht. In diesem Podcast-Projekt erzählen Menschen ihre Geschichten vom Leben nach der NS-Verfolgung. Vom Verhältnis zu ihren Eltern, von Diskriminierung und Traumata. Es geht nicht darum zu bewerten, was richtig ist und was falsch. Es geht darum zuzuhören. Und zu erfahren, wie vielfältig die Nachwirkungen dieser Zeit auch heute noch sind.

In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte e.V.

von und mit Nora Hespers

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